Typische Fehlschlüsse in Scrum Teams – und wie du sie erkennst
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Fehlschlüsse in Scrum Teams sorgen dafür, dass falsche Probleme gelöst werden, oder echte gar nicht erkannt. Ich nenne dir drei Denkfehler, die dein Scrum Team lähmen, ohne dass du es merkst.
Informelle Fehlschlüsse klingen logisch, beruhen aber auf falschen Annahmen. Gerade weil sie so plausibel wirken, bleiben sie oft unbemerkt. Sie schleichen sich in Meetings, Retros oder Sprint Plannings ein und sorgen dafür, dass Scrum Teams Probleme falsch einschätzen:
❌ Es wird ein Problem gesehen, wo keins ist.
❌ Es wird kein Problem gesehen, wo eins ist.
❌ Es wird das falsche Problem gelöst.
Die Folge: Ergriffene Maßnahmen basieren auf falschen Grundlagen, die Zeit, Energie und Wert verpuffen lassen.
Manche Fehlschlüsse sind relativ bekannt, zum Beispiel Rosinenpicken: Man sucht sich nur die Daten raus, die ins eigene Bild passen. Oder anekdotische Evidenz: Eine einzelne Erfahrung dient als vermeintlicher Beweis dafür, dass die eigene Sichtweise universell gültig ist.
Andere Fehlschlüsse hingegen sind weniger bekannt und gerade deshalb besonders tückisch.
Wir werfen einen Blick auf 3 typische Denkfehler, damit du sie in deinem Scrum Team frühzeitig erkennst.
Wer sich näher mit solchen Wahrnehmungsverzerrungen befassen will, findet hier eine Übersicht typischer kognitiver Biases im agilen Alltag – inklusive anschaulicher Beispiele:
👉 Wie kognitive Verzerrungen unsere Entscheidungen in agilen Projekten beeinflussen
Fehlschluss #1: Korrelation ist nicht Kausalität – Cum hoc ergo propter hoc
„With this, therefore because of this“ – also: Weil zwei Dinge gleichzeitig auftreten, muss das eine die Ursache des anderen sein. Ein klassischer Fehlschluss, denn Korrelation bedeutet noch lange keine Kausalität.
Aber was genau ist der Unterschied?
Korrelation heißt: Zwei Dinge hängen miteinander zusammen.
Kausalität heißt: Das eine verursacht das andere.
💬 Beispiel:
Ein Developer ist freitags im Daily Scrum oft mürrisch.
Man könnte vorschnell schließen: „Der hat einfach freitags keine Lust.“
Aber erst auf Nachfrage wird klar: Er arbeitet als Einziger 40 Stunden, die anderen hingegen nur 36 und starten früh ins Wochenende. Ergo: Freitags nach 12 Uhr sitzt er allein da. Kein Austausch, keine Gespräche, keine Pause mit Kolleg:innen.
Der Denkfehler:
Nicht der Freitag macht ihn mürrisch – sondern die Isolation.
Die Beobachtung (mürrisch an Freitagen) war korrekt – aber die Ursache wurde falsch interpretiert.
👉 Solche Fehlschlüsse passieren oft – in Retros, in Sprint Reviews, im täglichen Miteinander. Und sie führen dazu, dass falsche Maßnahmen ergriffen werden – weil man das falsche „Warum“ sucht.
Wer Korrelation nicht mit Kausalität verwechselt, erkennt die wahren Ursachen hinter Teamproblemen und trifft Entscheidungen auf Basis von Ursachen statt Vermutungen.
Fehlschluss #2: Nur was messbar ist, zählt – McNamara-Fallacy
Häufig werden quantitative Daten als einzig relevante Entscheidungsgrundlage herangezogen. Nur weil bestimmte Kennzahlen leicht verfügbar sind – etwa Velocity, Umsatz oder Personalkosten – gelten sie als objektiv und ausreichend. Schwer messbare Faktoren wie Qualität oder Kundenzufriedenheit bleiben dabei außen vor.
💬 Beispiel:
Eine Abteilungsleiterin vergleicht zwei Scrum Teams anhand ihrer Velocity.
Scrum Team A liegt deutlich unter Team B – also schlussfolgert sie: „Team A performt schlechter.“
Was sie sieht: Stunden, Kosten, Velocity.
Was sie nicht sieht: Scrum Team A erreicht regelmäßig Sprintziele, liefert stabile Releases und erhält durchweg positives Feedback von Kund:innen.
Der Denkfehler: Die verfügbaren Zahlen werden als alleiniger Maßstab genommen – obwohl sie das relevante Ergebnis nur teilweise abbilden.
👉 Ab in die Review!
Also: Wer ein Scrum Team nur über Metriken bewertet, die nicht das eigentliche Ziel abbilden, übersieht, worauf es wirklich ankommt: funktionierende Zusammenarbeit, nachhaltige Produktqualität – und zufriedene Nutzer:innen.
Fehlschluss #3: Der regressive Fehlschluss
In stabilen Scrum Teams stellt sich mit der Zeit ein gewisser Normalzustand ein, was Stimmung, Ergebnissen oder Prozessen anbelangt. Kommt es zu einer Abweichung – vor allem einer negativen – wird schnell reagiert: Maßnahmen sollen das Scrum Team „zurück auf Kurs“ bringen.
Doch wenn im nächsten Sprint wieder alles normal ist, lag es dann wirklich an den Maßnahmen? Oder hätte sich das Scrum Team ohnehin stabilisiert?
💬 Beispiel:
Weil die Sprint Review auf einen Feiertag fällt, wird sie einen Tag vorgezogen.
Der Product Owner merkt zu spät, dass er parallel bereits einen anderen Termin hat. Das Team führt die Review ohne ihn durch, macht aber deutlich, wie wichtig seine Anwesenheit ist.
Beim nächsten Sprint ist der Product Owner wieder dabei.
War das nun die Wirkung der Intervention? Oder war der vorherige Ausfall nur ein einmaliger Zufall und der Normalzustand hätte sich auch ohne das Gespräch wieder eingestellt?
Oft zeigt sich: Der alte Zustand kehrt zurück, noch bevor die Maßnahmen greifen. Ein Zeichen dafür, dass sich das Scrum Team ganz von allein stabilisiert.
Trotzdem gilt: Maßnahmen können sinnvoll sein – aber nur, wenn sie wirklich notwendig sind.
Fazit: Wer jede Veränderung direkt mit Maßnahmen verknüpft, überschätzt deren Wirkung und unterschätzt die Selbstregulationsfähigkeit des Scrum Teams.
Besser: beobachten, reflektieren, gezielt handeln.
Zusammengefasst
Diese drei Fehlschlüsse wirken auf den ersten Blick harmlos, sind aber ein Grund, warum in vielen Scrum Teams Energie in falsche Diskussionen, Maßnahmen oder Prioritäten fließt. Wer sie erkennt, trifft bessere Entscheidungen: mit klarerem Blick auf Ursachen, Wert und Wirkung.
👉 Wenn du diese Muster im Scrum Team sichtbar machst, sparst du nicht nur Zeit, du sorgst dafür, dass deine Lösungen wirklich Probleme lösen.
Philipp Tintschl
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