Book Review: Agile Meetings and Workshops
Bunter, lebhafter, anderes – das Buch „Agile Meetings and Workshops“ von Claudia Thonet versteht sich als Gegenentwurf zur langweiligen grauen Meetingwelt der Vergangenheit. In farbenfrohen Layouts werden viele verschiedene Methoden für Meetings und Workshops vorgestellt. Was auffällt: Der Fokus scheint vor allem auf der oberflächlichen Gestaltung der Meetings und Workshops zu liegen.
So drängte sich mir im Verlauf der Lektüre eine Frage auf: Kann es sein, dass die Autorin ihre Agilitätsexpertise nicht aus dem mir vertrauten IT-Bereich bezieht? Eine kurze Recherche bestätigt meine Annahme, denn Frau Thonet ist tatsächlich Expertin für den Bereich Agilität im Vertrieb. Mich persönlich würden die meisten Entwürfe nicht ansprechen, aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Immerhin gründen die meisten Konzepte auf einem soliden agilen Fundament – oder?
Nun, mehr oder weniger. Zwar finden sich viele bekannte agile Konzepte als Grundlagen und Theorien, aber es scheint, dass diese zum Teil fast zufällig zusammengewürfelt wurden. Ein konkretes Beispiel: Wenn ich Commitment, Focus, Courage, Respect und Openness als agile Werte benenne, wird der:die agile Leser:in diese sicherlich als die fünf Scrum-Werte erkennen. Füge ich aber, wie Frau Thonet, noch Feedback, Kommunikation und Einfachheit hinzu, dann macht sich – zumindest bei mir – Verwirrung breit. Klar, das klingt modern und agil, aber warum zählen hier ausgerechnet diese drei Wörter als Werte? Warum nicht auch Pünktlichkeit und Freundlichkeit? Und wo kommen sie überhaupt her?
Gerade bei der letzten Frage muss man schon stark mit den Zähnen knirschen.
Am Ende des Buches werden unter der Überschrift „Ausgewählte Quellen“ genau fünf Quellen angeführt. An einer davon hat Frau Thonet selbst mitgewirkt, eine weitere ist ein Verweis auf Herrn Csíkszentmihályi (der mit dem Flow). Für ein Buch mit einer Länge von ca. 270 Seiten bleiben somit genau drei Quellen. Der Fairness halber muss erwähnt werden, dass sich selbstverständlich viele Seiten des Buches explizit mit Meetings und Workshops befassen, die auch auf eigener Expertise beruhen können. Wenn allerdings auf Seite 24 bereits zwölf agile Prinzipien genannt werden, ohne dass ein Verweis auf das agile Manifest zu finden ist (vermutlich, weil die Prinzipien so umformuliert wurden, dass sie nicht mehr ausschließlich auf den Bereich der Softwareentwicklung anwendbar sind.), dann muss ich mir schon ungläubig die Augen reiben. Respektvoll und transparent ist das sicherlich nicht.
Fazit: Zusammenfassend muss ich sagen, dass „Agile Meetings und Workshops“ meinen Ansprüchen leider nicht genügt. Während es zum Durchblättern für ein paar neue Ideen durchaus gut geeignet ist, gibt es in meinen Augen doch gravierende Mängel hinsichtlich der theoretischen Grundlagen. Auch als reines Praxisbuch ist es – zumindest im IT-Bereich – nur begrenzt nützlich. Betrachtet man den Hintergrund der Autorin, so ist ein Einsatz im (agilen) Vertrieb wohl wesentlich empfehlenswerter.
Für Software/Hardware Development allerdings: Daumen runter.
Philipp Tintschl
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